Andacht Misericordias Domini, 23.04.2023, von Pfarrerin Dr. Anna Scholz

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Friede sei mit Euch!

Psalm 23 EG 711

Gebet

Gott, Du schaust auf uns wie ein guter Hirte. Du siehst was wir brauchen, oft, bevor es uns selbst bewusst ist. Du gibst uns Freiheit und Stärke, unseren Weg zu finden. Bitte sei auch heute hier mit Deinem Geist, der die Angst vertreibt und uns befreit. Das bitten wir durch Jesus, unseren Bruder, der mit Dir uns dem heiligen Geist lebt und leben schenkt. Heute und an allen Tagen. Amen

Lied EG+ 102 Da wohnt ein Sehnen

Schriftlesung LK 15

Eines Tages waren wieder einmal alle Zolleinnehmer und all die anderen, die einen ebenso schlechten Ruf hatten, bei Jesus versammelt und wollten ihn hören. Die Pharisäer und die Gesetzeslehrer murrten und sagten: »Er lässt das Gesindel zu sich! Er isst sogar mit ihnen!« Da erzählte ihnen Jesus folgendes Gleichnis: »Stellt euch vor, einer von euch hat hundert Schafe und eines davon verläuft sich. Lässt er dann nicht die neunundneunzig allein in der Steppe weitergrasen und sucht das verlorene so lange, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, dann freut er sich, nimmt es auf die Schultern und trägt es nach Hause. Dort ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: ›Freut euch mit mir, ich habe mein verlorenes Schaf wiedergefunden!‹ Ich sage euch: Genauso ist bei Gott im Himmel mehr Freude über einen Sünder, der ein neues Leben anfängt, als über neunundneunzig andere, die das nicht nötig haben.«

EG 358, 1-3 Es kennt der Herr die Seinen

Predigt

Liebe Leser*innen. 2020 in Oberbayern. Ein Mann hat 100 Hühner. Um sie vor Greifvögeln und anderen Räubern zu schützen schafft er sich Alpakas an, und schließlich dann eine Herde Schafe. Irgendwann wird die Schafherde so groß, dass der Platz bei den Hühnern nicht mehr ausreicht. Der Mann verkauft seine Schafe an einen benachbarten Bauern mit einer großen Weide. Dort finden all die Schafe ein schönes Zuhause und ein friedliches Leben. Alle, bis auf ein kleines Schaf, namens Leni. Eines Tages springt Leni über den Zaun der Koppel und verschwindet. Ihr Besitzer sucht sie überall. Mal wird sie auf einem Radweg gesichtet, mal in einem Garten, mal im Wald. Sie lässt sich einfach nicht fangen, immer wieder büxt sie ihren wohlmeinenden Verfolgern aus, hüpft geschickt über einen Graben, versteckt sich im Unterholz oder macht sich im hohen Gras unsichtbar. Der Besitzer beginnt, sich Sorgen zu machen: Wenn Leni nun einen Unfall verursacht? Oder selbst zu Schaden kommt? Wochen gehen ins Land, ohne dass es eine neue Spur zu Leni gibt. Bis eines Tages dann etwas Merkwürdiges geschieht. Eines Morgens tritt die Besitzerin eines nahegelegenen Reiterhofs auf ihre Weide mit edlen Araberpferden. Elegant galoppieren sie über die sanften Hügel, die Mähnen wehen im Wind. Doch, da, in den Strahlen der Morgensonne taucht ein sehr kleines „Pferd“ zwischen den langbeinigen Hengsten auf. Es hat braunes, etwas struppiges Fell und statt eines Schweifs nur ein Stummelschwänzchen. Leni. Anmutig wirft sie den Kopf zurück und hält mit der Herde Schritt, ja ahmt deren Bewegungen nach und deren erhabenen Pferdeblick. Beginnt gar, wie ein Pferd zu riechen. Und noch erstaunlicher: Rangkämpfe gibt es nicht. Liebevoll beschnuppern die großen Pferde das kleine Schaf. Und lassen es sogar aus dem Hafertrog fressen. Leni ist zuhause angekommen – bloß eben etwas anders, als man es erwartet hätte. Ein paar Tage später wird eine große Herde Merinoschafe an der Pferdekoppel vorbeigetrieben. Die Pferde merken das und versammeln sich am Zaun, betrachten neugierig und interessiert diese andere Herde anderer Tiere, wie sie an ihnen vorüberzieht. Unter all diesen stolzen Pferden, die von oben auf die wolligen Schafe hinabschauen, ein winzig kleines Pferdeschaf. Leni. Macht keine Anstalten sich der Schafherde anzuschließen. Mit denen hat sie nichts mehr zu tun. Und sie darf bleiben, hier im neuen Zuhause, das sie sich selbst ausgesucht hat. Ein verlorenes Schaf, das seinen eigenen Weg gefunden hat. Das begreift schließlich auch Lenis Besitzer. Und lässt sie dort, weil klar ist: Hier ist sie am rechten Fleck. Nach ein paar Wochen beginnt ihr Fell wie ein Pferdefell zu glänzen. Und sie lässt sich sogar striegeln. „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde zu sein, muss man vor allem ein Schaf sein“, hat Albert Einstein mal gesagt. Um ein tadelloses Mitglied einer Pferdeherde zu sein, muss man aber offenbar nicht unbedingt ein Pferd sein. – Mich berührt diese kleine Geschichte vom Nachhausekommen, die ich vor zwei Jahren im ZEIT-Magazin gelesen habe. Und ich finde, sie erzählt auf ganz eindrückliche Weise vom Thema des heutigen Sonntags. – Die Geschichte vom verlorenen Schaf und dem guten Hirten, die Jesus im Lukasevangelium erzählt, die klingt ja erstmal danach, dass es schön ist, wenn alle wieder in Reih und Glied sind und sich einfügen in den Kosmos, aus dem sie stammen. Aber eigentlich geht´s da noch um mehr und was anderes. Nämlich darum, wie Gott auf jeden Menschen so schaut, dass er oder sie unendlich wertvoll ist, auch die, die nicht so richtig reinpassen in das, was die anderen für normal halten. Und dass es richtig ist, sich auch denen zuzuwenden, die nicht in das Bild passen, dass Du selbst vielleicht von einem guten und tadellosen Leben hast. Zolleinnehmer, Leute, die einen schlechten Ruf haben, ja vielleicht auch einfach die, die nicht dem entsprechen, was dem mehrheitlich „Normalen“ entspricht. Oder die zu manchen Dingen eine andere Haltung haben, als Du selbst das vielleicht hast. 2 Weidet die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist, und achtet auf sie, nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt, nicht um schändlichen Gewinns willen, sondern von Herzensgrund, 3 nicht als solche, die über die Gemeinden herrschen, sondern als Vorbilder der Herde. – Diese Worte schreibt der Verfasser des ersten Petrusbriefs, so ungefähr in der Mitte des 1. Jahrhunderts , an seine Gemeinde. Und auch jetzt, 2000 Jahre später, sind diese Worte noch erstaunlich aktuell. „Die Herde Gottes, die euch anbefohlen ist“, das sind alle die Menschen, die dazugehören, zum Beispiel hier, zu unserer Kirchengemeinde, aber auch darüber hinaus,   alle Mitmenschen. Nicht nur die, die hier sonntags in Reih und Glied sitzen. Sondern auch die, die sich vielleicht nicht so oft über die Türschwelle der Kirche trauen. Auch die gehören dazu. „Achtet auf sie! Nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt! Von Herzensgrund!“ – Ja, vielleicht so, wie der gute Hirte, der seine Zeit aufwendet, um sein einzelnes kleines Schäfchen zu finden, weil es eben einen unendlichen Wert für ihn hat. Oder eben wie der Besitzer des Schafs Leni, der erkannt hat, dass es für dieses eine besondere Schaf besser ist, bei seinen Freunden, den Pferden zu leben, und nicht in Reih und Glied in der Schafherde. Er verzichtet auf sein Recht, um der Freiheit dieses Mitgeschöpfs willen. Und daran möcht ich mich auch hin und wieder erinnern, dass es vielleicht genau dieses Bewusstsein braucht, um gut miteinander Kirche zu sein und als Christenmenschen in der Welt zu leben. Nämlich: In jeder Menschenseele einen unendlichen Schatz zu sehen, den es sich zu finden lohnt, auch wenn das manchmal mühsam ist und über dornige Pfade führt. Und ich vielleicht dann auch manchmal darauf verzichten muss, mein Recht durchzusetzen oder andere mit meiner Haltung zu den Dingen zu überfahren ohne hinzusehen, dass es da auch noch andere Sichtweisen geben kann. Es lassen

sich eben nicht alle aus der Herde in den gleichen Pferch stecken, schon gar nicht, in einer Herde von Menschen, wie wir es sind. – Gut zu wissen „von Herzensgrund“: Es ist nicht für alle das gleiche richtig. Manche Schafe passen eben besser in eine Pferdeherde. Und eine edle

Pferdeherde kann vielleicht durch ein kleines struppiges Schaf sogar bereichert werden, wer weiß? Jeder soll bei Gott ein Zuhause haben und dazugehören, so, wie es eben zu jedem einzigartigen Leben passt. Nicht gezwungen, sondern freiwillig. So, wie Gott auf uns schaut. Amen.

Fürbitten / Vaterunser

Gott, manchmal verirren wir uns und gehen verloren, wir laufen ängstlich umher mit Unruhe im Herzen und Angst auf der Brust. Wir möchten vertrauen auf das, was Jesus getan hat und in unserer Welt umsetzen, wozu er uns ermutigt. Hilf uns, wahrzunehmen, wo ein Leben gefährdet ist, wo jemand befreit werden muss, wo Gemeinschaft zerstört wird und Zwänge herrschen. Wir bitten um Phantasie, Räume für Leben neu zu entdecken in der Familie, in der Partnerschaft, in der Gesellschaft und in unserer Kirche. Im Umgang mit der Natur und unseren Lebensgrundlagen. Hilf uns, deine Liebe durch uns wirksam sein zu lassen und unsere Welt wohnlicher zu machen Wir denken auch mit Dankbarkeit an die, die sich hier in unserer Gemeinde für andere einsetzen. Durch Besuche, durch freundliche Gespräche, durch Anrufe, durch Zuwendung. – Vater unser

EG+ 41, 1+3+5 Wohl denen, die noch träumen

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich. Er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden. Amen

Bleiben Sie behütet und gesund! Es grüßt Sie herzlichst,

Ihre Pfarrerin Dr. Anna Scholz

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