Palmsonntag ist ein klingender Name. Er erinnert an den Einzug Jesu in Jerusalem, als er mit Palmzweigen begrüßt wurde. Eine Geschichte, die gar nicht so recht in die Passionsgeschichte passen will. Wir gehen auf die traurigste Woche des Kirchenjahres zu, und die beginnt mit einem scheinbar fröhlichen Fest. Der Retter zieht in Jerusalem ein und wird wie ein König begrüßt. In die Freude des Einzugs mischt sich ein komisches Gefühl: Der erwartete König erscheint auf einem Esel. Die Menge, die ihn jubelnd empfängt, wird sich enttäuscht von ihm abwenden. In der Person Jesus können wir beides erleben: das Hohe, das Erhebende und auch das Demütige, das Sich-Beugende.
Lied : Herr, stärke mich, dein Leiden zu bedenken EG 91,1-3
Psalm Philipper 2,5-11 EG 760
Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht: Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Gebet
Mit Jesus gehen wir in diesen Tage nach Jerusalem, wir bedenken sein Leiden und Sterben, seine Schmerzen, seine Einsamkeit. Gott, geh du mit uns, wenn wir dunkle Zeiten erleben, wenn Angst uns quält und die Sorgen allzu groß sind. Du denkst an uns. Du segnest uns. Lass uns das glauben, im Namen deines Sohnes Jesu, der eins ist mit dir und dem Heiligen Geist. Amen.
Predigt
Verglichen mit vielen Tieren sind wir Menschen – was unsere Sinne, unsere Wahrnehmungsfähigkeit angeht – deutlich unterentwickelt. Was ist unser menschliches Auge im Vergleich zu dem des Adlers? Oder unser Gehör im Vergleich zu dem der Fledermaus? Oder unser Geruchssinn im Vergleich zu dem des Hundes? Und doch sind unsere Sinne so wichtig für uns, und die Einschränkung oder gar der Verlust eines davon ist schwer zu verkraften. Im Vergleich mit Sehen oder Hören wird der Geruchssinn oft unterschätzt. Gerade für unsere Erinnerungen ist er jedoch sehr bedeutsam. Bestimmte Gerüche lösen bei uns ganz intensive Erinnerungen aus. Z. B. das starke Aroma blühender Hyazinthen, der Duft von sonnengetrocknetem Heu, der Geruch von frisch geschlagenem Holz. Unser Geruchssinn führt uns in Schichten unseres Wesens, die tiefer reichen als das Auge und das Gehör. Unser heutiger Predigttext berichtet von einer besonderen Erfahrung, das Jesus und denen, die bei ihm waren, ganz unvermutet zuteilwurde. Und ich bin überzeugt: Keiner von denen, die dabei waren, hat diesen Geruch und damit die Erinnerung an das Geschehen in seinem Leben je wieder vergessen können.
Markus 14 3-9
Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat. Amen.
Liebe Leser*innen
Ein ungewöhnlicher Zwischenfall wird uns hier berichtet. Eine namenlose Frau dringt zu Jesus vor, durchbricht gewissermaßen den Kreis der Jünger und tut Jesus etwas verschwenderisch Gutes:kostbares Öl gießt sie über seinem Haupte aus.Warum tut sie das, woher kommt diese Frau? Auf beide Fragen gibt das Bibelwort keine direkte Antwort: wir wissen nicht, wer sie ist – wir wissen nicht, was nachher mit ihr geschieht. Kein einziges Wort spricht die Frau – die bei Markus übrigens namenlos bleibt – in dieser Szene. Namenlos und doch unvergessen! Sie wirkt durch das, was sie tut. Und sie tut etwas Wahnsinniges: ein ganzes Fläschchen voll sündhaft teurem Parfüm gießt sie über Jesus aus. Verrückt! Echtes Parfüm ist nicht erst heute sehr teuer. Es ist ein Luxusartikel, den man sich, wenn überhaupt, dann höchstens tropfenweise gestattet, aber nicht so verschwenderisch, dass man gleich einen ganzen Flakon auf einmal aufbraucht. Das ist Übertreibung und Verschwendung! Alle, die trotz des betäubenden Duftes ihren Verstand in dieser Runde noch nicht verloren haben, fangen an zu rechnen. Hier wird wirtschaftlich gedacht und dazu noch sozial. Also im besten Sinne diakonisch: Dieser Geldbetrag hätte bei den Armen erheblich Not lindern können! Dieses Denken müsste Jesus doch gefallen? Jesus sieht es anders. Er sieht hinter dieser Verschwendung einen tiefen Sinn. Auch wenn die Frau bestimmt nichts geahnt hat vom nahe bevorstehenden Tod Jesu, so hat sie ihm einen Dienst der Liebe erwiesen: Sie hat meinen Leib im voraus gesalbt für mein Begräbnis. Sie ist einfach ihrer Intuition gefolgt, und die war bestimmt von einer überfließenden Dankbarkeit und Hingabe gegenüber Jesus. Jesus kommentiert das stumme Tun der Frau: Sie hat getan, was sie konnte. Sie konnte Jesus nicht vor dem Tod bewahren. Aber ihm auf seinem schweren Weg ihre Liebe mitgeben, das konnte sie, und das tat sie. Ich selber kann das Ganze nur mit dem Herzen begreifen, nicht mit dem Kopf. Und so vermittelt uns diese Frau – ganz ohne Worte – etwas sehr Wichtiges für unseren Glauben: Glaube ist viel mehr als ein Gebäude von Glaubenssätzen, zu denen wir „Ja“ oder „Nein“ sagen. Glaube hat etwas mit „sich verschenken“ zu tun. Der Glaube dieser Frau, fragt nicht nach Ansehen und Anerkennung. Sie hat keine Angst vor der Blamage. Denn höchst blamabel war ihr ganzes Unternehmen ohne Frage. Eine Frau, die etwas auf sich hielt, wäre niemals in eine Männergesellschaft geplatzt. Das gehörte sich einfach nicht. Aber das war ihr egal. Sie wollte sicher nicht respektlos sein, aber sie sah keine andere Möglichkeit, um Jesus zu ehren. Ihm zu zeigen, wie viel er ihr bedeutet. Sie wollte zum Ausdruck bringen, dass er ihr König ist. Dafür nahm sie es in Kauf, dass andere sich über sie das Maul zerrissen oder sie anschnauzten. Sie ließ sich ihre Verehrung für Jesus wirklich viel kosten. Die Geschichte dieser Frau und was sie für Jesus getan hat, hält uns einen Spiegel vor. Sie fragt uns, wie unsere Beziehung zu Jesus ist. Lieben wir ihn? Was lassen wir uns diese Liebe kosten? Die Bindung der Frau an Jesus als ihren Herrn war total. Sie verehrte ihn in tiefer Liebe und Hingabe. Niemals wäre ihr in den Sinn gekommen, ihre Hochschätzung zu dosieren, ihr eine Grenze zu setzen. Deshalb diese für Außenstehende total verrückt erscheinende Handlung. Im Blick auf Jesus Christus gibt es für sie nur ein bedenkenloses Alles oder Nichts. Der Gedanke, dass man beim Glauben sparen und sich in Berechnungen ergehen könnte, liegt völlig außerhalb ihres Gesichtskreises. So liebt und glaubt diese Frau. So wie sie Jesus salbt, so wird sie von Jesus gesegnet und selig gesprochen. Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat.“ Er hat Recht behalten. Sie hat ihn gesalbt, wie man einen König salbt,– doch hier nun wird in Jesu Worten deutlich, wo wir mit dieser Geschichte stehen Am Anfang der Karwoche. Jesus deutet ihre Handlung – wiederum anders als die Jünger es geahnt hätten. Er blickt nach vorne.Er sieht seinen Tod. „…mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis.“Mit einem Mal hat diese Handlung eine völlig neue Bedeutung. Sie wird zur prophetischen Zeichenhandlung, die vom nahen Tod Jesu spricht. Während hinter den Mauern von Jerusalem der Hohe Rat Jesu Verhaftung und Tod planen, ereignet sich am Beginn des Leidensweges und der Karwoche eine Geschichte die angesichts des bevorstehenden Leidens und des Todes einen überraschenden Akzent setzt. Es ist eine Geschichte, es ist das Evangelium von einer überströmenden Liebe, die zwischen Gott und den Menschen und den Menschen und Gott hin- und herfließt. Diese Liebe kennt keine Berührungsängste und sie kennt keine Schranken. Nicht einmal der Tod wird Gottes überströmende Liebe gefangen halten. Gottes Liebe stößt an – aber sie stößt an keine Grenzen. Amen.
Fürbittengebet
Jesus Christus, du hast den Widerspruch zwischen Jubel und Ablehnung, zwischen Glanz und Elend in deinem Leben und Leiden durchgehalten. Doch in uns herrscht Zerrissenheit. Wir fürchten das Leiden. Wir versuchen, ihm auszuweichen, und passen uns lieber herrschenden Meinungen an. Du aber bist dir selbst in deiner Liebe zu uns treu geblieben. Darum bitten wir dich für alle, die fasziniert sind von den Versprechungen der Macht, dass sie sich nicht verführen lassen. Wir bitten dich für alle, die durch Vorurteile und Schwarzmalerei verhärtet sind, dass ihre Herzen von deiner Liebe aufgetaut werden. Wir bitten dich für die Einflussreichen und Mächtigen, dass sie von deiner Ohnmacht lernen, und für die Ohnmächtigen, dass sie deine Macht erfahren. Schenke uns deinen Geist, den Geist deiner unwiderstehlichen Liebe, dass wir im Blick auf dich leben können. – Vater unser….
Lied: Stimme die Stein zerbricht EG+ 18
Segen
Der Herr segne und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und schenke dir Frieden. Amen.
Bleiben Sie behütet und gesund!
Es grüßt Sie herzlichst, Ihre
Lektorin Gerlinde Abel