Andacht 17. So. n. Trinitatis, 22.09.2024, Sabine Klatt (Diakonin/Prädikantin)

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Ich freue mich sehr, dass wir auf diese Weise miteinander verbunden sind – im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Gebet

Gott, dein Herz ist weit und voll Erbarmen. Stecke uns an mit deiner Liebe, dass wir deine Hilfe weitergeben und uns denen zuwenden, die uns brauchen. Darum bitten wir Christus, unseren Herrn. Amen

Lied: EG 412,1 So jemand spricht: „Ich liebe Gott“, und hasst doch seine Brüder,“ der treibt mit Gottes Wahrheit Spott und reißt sie ganz darnieder. Gott ist die Lieb und will, dass ich den Nächsten liebe gleich als mich.

Impuls

Liebe Leser*innen!

„Ich begrüße Sie zur Kirchenvorstandssitzung. Tagesordnungspunkt 1: Andacht.“ Der Pfarrer blickt in die Runde. „Ob ich es heute Abend schaffe, sie zu erreichen?“ fragt er sich. So richtig scheinen die meisten noch nicht mit ihren Gedanken bei der Sitzung angekommen zu sein. Einer der Kirchenvorsteher*nnen wirkt besonders abwesend. „Eigentlich wäre heute Abend im Fernsehen das Fußballspiel“, denkt der Kirchenvorsteher. „Außerdem hätte ich noch einmal über die Hausaufgaben der Kinder schauen sollen. In der Schule geht es zur Zeit hoch her. Mit der Frau wäre auch noch das ein oder andere Organisatorische für die nächsten Tage zu besprechen. Der Tag war lang. Ich bin kaputt. Was mache ich eigentlich hier?“ „Als Einstieg in die Andacht habe ich einen Text aus dem Alten Testament ausgesucht“, fährt der Pfarrer fort. „Er steht bei Jesaja im 49. Kapitel, Vers eins bis sechs. Es ist eines der sogenannten Gottesknechtslieder. „Oje“, denkt der Kirchenvorsteher. „Heute wird es wieder spät. Jetzt kommt der Pfarrer auch noch mit dem Gottesknecht. Warum können wir nicht einfach mit den wichtigen Dingen anfangen?“Doch der Pfarrer nimmt die Bibel und liest: Hört mir zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne, merkt auf! Der Herr hat mich berufen von Mutterleibe an; er hat meines Namens gedacht, als ich noch im Schoß der Mutter war. Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt. Und er sprach zu mir: Du bist mein Knecht, Israel, durch den ich mich verherrlichen will. Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz. Doch mein Recht ist bei dem Herrn und mein Lohn bei meinem Gott.Und nun spricht der Herr, der mich von Mutterleib an zu seinem Knecht bereitet hat, dass ich Jakob zu ihm zurückbringen soll und Israel zu ihm gesammelt werde – und ich bin vor dem Herrn wert geachtet und mein Gott ist meine Stärke –, er spricht: Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde. Der Pfarrer legt die Bibel beiseite und beginnt, das Bibelwort auszulegen. Doch der Kirchenvorsteher hört ihm längst nicht mehr zu. Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz. An diesem Satz ist der Kirchenvorsteher, der nun doch zuhörte, hängen geblieben. „Dieses Gefühl kenne ich“, denkt er. „Neben der Erfüllung der Pflichten für Familie und Beruf muss man sich noch Kraft für die Leitung der Gemeinde aufbewahren. Jeden Monat treffen wir uns zur KV-Sitzung. Wir beraten über Finanzen, Bausachen, Anstellungen. Wir versuchen, im Gemeindeleben ganz unterschiedlichen Erwartungen, Wünschen und Ansprüchen gerecht zu werden. Leider geht das manchmal nicht ohne Konflikte. Wenn dann auch noch Anerkennung und Wertschätzung fehlen, stößt man irgendwann an seine Grenzen.“ – Er denkt an eine Kirchenvorsteherin, die vor kurzem ihr Amt niedergelegt hat. Wiewohl mein Recht bei dem Herrn und mein Lohn bei meinem Gott ist. Dem Gottesknecht ging es anscheinend ähnlich. Er kämpfte mit den Nöten, die sich aus seiner Beauftragung ergaben: mit all den Selbstzweifeln, der schier übermenschlichen Aufgabe, das Gottesvolk zu vereinen. Er arbeitete nur für Gottes Lohn, zum Wohl seiner Gemeinde. Das musste auch er sich immer wieder bewusst machen. „So ein Gottesknecht wäre schon praktisch“, sinniert der Kirchenvorsteher. „Denn Gott hat seinen Knecht für seine Aufgabe gut gerüstet. Der Gottesknecht hält mit seinen Vorzügen nicht gerade hinter dem Berg, wenn er sagt: Er hat meinen Mund wie ein scharfes Schwert gemacht, mit dem Schatten seiner Hand hat er mich bedeckt. Er hat mich zum spitzen Pfeil gemacht und mich in seinem Köcher verwahrt. Das hört sich ja schon fast an wie eine Bewerbung.“ Das bringt den Kirchenvorsteher auf eine Idee: „Warum kann man sich so einen Gottesknecht nicht einfach ausleihen?“ fragt er sich. „Dann könnten wir Kirchenvorsteher*nnen uns endlich einmal zurücklehnen. Die Landeskirche könnte hier doch ein ideales Angebot machen.   (Für den Anzeigentext habe ich auch schon eine Idee: Hört zu, ihr Inseln, und ihr Völker in der Ferne merkt auf! Rent a Gottesknecht! So könnte es heißen – ohne Denglisch geht es ja bei den Marketingleuten nicht mehr (auch nicht in der Kirche). Und halt, es muss ja heute auch geschlechtergerecht zugehen, also: Rent a Gottesknecht! – Schrägstrich – Rent a Gottesmagd! Sonst gibt es Schwierigkeiten mit dem Gleichbehandlungsgesetz.) Bloß: Auch die Landeskirche stände vor der Frage: Wo wäre so ein Gottesknecht (oder eine Gottesmagd …) heute zu finden? Die göttliche Aufgabenbeschreibung, wie sie in der Bibel steht, hat es schließlich gewaltig in sich, denn Gott spricht: „Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jakobs aufzurichten und die Zerstreuten Israels wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Völker gemacht, dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde.“ Plötzlich wird der Kirchenvorsteher aus seinen Träumen gerissen: „Die Urgemeinde sah in dem Gottesknecht eine Prophetie auf Christus hin“, belehrt gerade der Pfarrer in seiner Andacht den Kirchenvorstand. Der Kirchenvorsteher wacht kurz aus seinen Gedanken auf – und hängt ihnen sogleich wieder nach: „Natürlich, Christus, das Licht der Völker, der Sieger, der die Sünden der Welt auf sich genommen hat: Jesus ist unser Gottesknecht. Er ist das passende Zugpferd für unsere Gemeinde. Doch stellt sich hier die gleiche Frage: Wo ist Jesus heute zu finden? Wo soll man da nur mit der Suche anfangen? – Klar, in der Bibel.“ Der Kirchenvorsteher denkt nach: Erst dunkel, dann immer heller erinnert er sich: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Das hat Jesus selbst gesagt. Und neulich haben die Kinder gesungen: Wir tragen dein Licht, wir tragen dein Licht in die Welt hinein. Dann wird es nicht länger, dann wird es nicht länger, länger mehr dunkel sein. Von einer Hand zur andern Hand, geht dein Licht über unser Land … Aber was für ein Licht ist das?“ – Unbewusst summt der Kirchenvorsteher das Liedchen leise vor sich hin: Von einer Hand zur andern Hand … Dabei fällt sein Blick auf seinen Sitznachbarn. Dieser lächelt ihn an, und unweigerlich muss er zurücklächeln. Er weiß nicht, was der andere denkt, aber er spürt, dass beide etwas verbindet. Jetzt geht dem Kirchenvorsteher ein Licht auf: „Dieses Licht ist das Licht der Nächstenliebe!“ Und dann fällt dem Kirchenvorsteher noch etwas ein: „Jesus sagte in der Bergpredigt zu seinen Jüngern: Ihr seid das Licht der Welt! … So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. Jesus hat das göttliche Licht an uns weitergegeben, damit wir es weitertragen und an andere weitergeben. Unsere Gemeinde ist der Leib Christi, wie Paulus immer wieder betont hat. so ist der Gottesknecht Jesus Christus immer noch mitten unter uns, ja in uns. Wir sind nicht allein!“ Der Kirchenvorsteher atmet erleichtert auf. – „Und darum können wir getrost sein. Amen“, beendet der Pfarrer eben da die Andacht. Der Kirchenvorsteher war so sehr in seine Gedanken versunken, dass er den Worten des Pfarrers gar nicht richtig zugehört hat. Trotzdem fühlt er nun eine eigenartige Kraft in sich. Die weitere KV-Sitzung fließt dann so dahin: Bausachen, Friedhofsangelegenheiten, Kindergarten, das Übliche, freilich wichtig, aber nicht dramatisch. Am Ende der Sitzung geht der Kirchenvorsteher noch einmal zum Pfarrer: „Vielen Dank für die tolle Andacht!“ Das meint er ganz ehrlich. Liebe Leser*innen, in einem Jahr sind die Wahlen zum Kirchenvorstand. Manche Kandidaten werden unsicher sein, ob sie der Verantwortung gewachsen sind. Sechs Jahre sind eine lange Zeit. Es wird Höhen und Tiefen geben, schöne Erlebnisse, aber auch schlechte Erfahrungen. Gelegentliche Enttäuschungen, gelegentlicher Selbstzweifel, gelegentliche Niedergeschlagenheit. Das alles gehört dazu. Diese Gefühle kennen nicht nur Kirchenvorsteher, sondern auch viele, die anderweitig ehrenamtlich in der Gemeinde tätig sind;oder die einfach nur etwas Gutes am Nächsten tun wollen. Damit diese Gefühle nicht die Überhand gewinnen und uns lähmen, ist es gut, sich etwas in Erinnerung zu rufen, das in den Alltagsgeschäften schon einmal ein wenig in Vergessenheit geraten kann: dass die Grundlage unserer Gemeinde die Nächstenliebe ist, de uns Jesus Christus gelehrt hat. Paulus erinnert uns: Einer trage des andern Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen. – Zeigen wir also unserm Nächsten, dass er nicht allein ist, dass wir alle gemeinsam am Reich Gottes teilhaben. Denn unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat, wie es in unserem Wochenspruch heißt. Wir alle sind Gottesknechte, berufen durch Jesus Christus. Auch der Gottesknecht bei Jesaja zweifelte zunächst an sich selbst: Ich aber dachte, ich arbeitete vergeblich und verzehrte meine Kraft umsonst und unnütz. Dann aber erkannte er es und rief aus: Ich bin vor dem Herrn wertgeachtet, und mein Gott ist meine Stärke. Dieser Satz gilt für Kirchenvorsteher*innen. Dieser Satz gilt für alle, die sich für unsere Gemeinde ehrenamtlich einsetzen. Dieser Satz gilt für jeden, der Jesus Christus nachfolgt. Erinnern Sie sich bitte an diesen Satz des Gottesknechts, gerade dann, wenn es im Leben einmal nicht so gut laufen sollte: Ich bin vor dem Herrn wertgeachtet, und mein Gott ist meine Stärke. Amen.

Fürbittengebet

Himmlischer Vater. Sieh an das Elend in unserer Welt: Wende dich den Menschen zu, die in Armut leben müssen, weil sie Opfer der Gewinnmaximierung geworden sind, die krank sind und verzweifeln, weil keine Aussicht auf Heilung besteht, die alt geworden sind und ihr Alter spüren, weil ihre Mitmenschen ihnen den Rücken kehren, die von dir nichts mehr erwarten, weil sie meinen, zu oft umsonst geglaubt zu haben, die ihren Nächsten aus dem Blick verlieren, weil sie sich selbst nicht mehr lieben können,
die gefangen sind in ihrer Überheblichkeit und Arroganz, weil sie glauben, dich ersetzen zu können. Herr, wir zweifeln, denn wir können nicht erkennen, wo in unserer Welt du eingreifst, und wie. Lass uns Werkzeuge deiner Liebe sein, damit es keinen Grund gibt, den Glauben aufzugeben. – Vater unser im Himmel … Amen

Segen

Der Herr segne und behüte dich; er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; er erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. Amen+++

Bleiben Sie behütet und gesund!

Es grüßt Sie herzlichst, Ihre

Sabine Klatt