Andacht Judika, 17.03.2024 von Lektorin Gerlinde Abel

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Die Passionszeit stellt uns vor die Frage nach der rechten Nachfolge. Wie können wir einem Gott folgen, dessen Willen wir oft nicht verstehen? Wo ist Gottes Gegenwart zu spüren in Einsamkeit und Verzweiflung? Die Bibel verheißt: Der Herr sieht! Auch unsere Not. Das ist unser Trost!

Gebet

Gott, du leidest mit uns an dieser Welt. Wir sehnen uns mit dir nach Gerechtigkeit und Frieden. Damit aus Schreien der Verzweiflung und Angst ein Loblied wachsen kann, beten wir zu dir durch Jesus Christus. Amen.

Lied: Im Dunkel unsere Ängste (EG+ 9)

ANDACHT

Im gläubigen Bereich beschäftigt uns in der Passionszeit der Weg und das Schicksal Jesu. Der Tod war für Jesus etwas ganz Bewusstes, ganz Aktives, ganz Provoziertes und Risikoreiches. Er lief mit seinem ganzen Leben, Leiden und Sterben auf Gott zu in der Hoffnung, dieser würde den Tod aufheben, nicht akzeptieren, sondern das irdische Leben in ein ewiges Leben verwandeln. Denn bei Gott, so glaubte Jesus, gibt es nur das Leben. Was aber ist dann der Tod für Gott?   Eine Prüfung? Eine   Glaubensprobe? Auf jeden Fall lautet meine ganz persönliche Frage: Wie kann ich tapfer sterben?

1.Mose 22,1-13

Gott versuchte Abraham und sprach zu ihm: „Abraham!“ Und er antwortete: „Hier bin ich.“ Und er sprach: „Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.“ Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne und sprach zu seinen Knechten: „Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen.“ Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: „Mein Vater!“ Abraham antwortete: „Hier bin ich, mein Sohn.“ Und er sprach: „Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer?“ Abraham antwortete: „Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer.“ Und gingen die beiden miteinander. Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete. Da rief ihn der Engel des Herrn vom Himmel und sprach: „Abraham! Abraham!“ Er antwortete: „Hier bin ich.“ Er sprach: „Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen.“ Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt.

Liebe Leser* innen

Es gibt manche Geschichte in der Bibel, die so abgründig und widersprüchlich ist und diese gehört sicherlich dazu. Auf der anderen Seite reizt so eine Geschichte – eben weil sie so unzugänglich, wenn nicht gar unzumutbar erscheint! Welchen Sinn hatte diese Geschichte, ursprünglich? Wie haben Menschen, die sie zum ersten Mal erzählten oder hörten, diese Erzählung verstanden? Hat sich ihr Sinn im Laufe der Zeit vielleicht verändert? Woher wusste Abraham so genau, dass es Gott ist, dessen Stimme er da vernommen hat? Und, dass ein Glaube, der anscheinend blinden Gehorsam verlangt und Menschenleben fordert, dass ein solcher Glaube abstoßend und menschenverachtend ist. Gleichwohl können wir diese Geschichte nicht einfach abtun. Immerhin hat sie ihren festen Platz in der Heiligen Schrift. Deshalb also noch einmal die Frage: Was hat sie ihren allerersten Zuhörern ursprünglich sagen wollen? – Die erste Erkenntnis zu dieser Geschichte ist die, dass die Geschichte keinen konkreten Verfasser hat! Es hat sich niemals jemand hingesetzt und sich diese Erzählung von Abraham und seinem Gott einfallen lassen. Und sie ist auch kein Erlebnisbericht! Generationen haben in Israel an dieser Geschichte gearbeitet, mit ihr gelebt, mit ihr gekämpft; und am Ende mit Abraham und Isaak erlöst aufgeatmet. Diese Geschichte ist die Geschichte eines ganzen Volkes! Über die Jahrhunderte hinweg ist sie immer wieder erzählt und auf diese Weise fortgeschrieben worden. Ein Volk erzählt von seinem Stammvater – und spricht dabei von sich selbst! Weil es sich mit diesem Stammvater identifiziert, sich in ihm wiederfindet! Das Volk Israel bewunderte an seinem Stammvater Abraham vor allem dessen Gottvertrauen! Sein Vertrauen zu Gott erschien den alten Israeliten als so unerschütterlich,   dass sie es wagten, sogar diese furchtbare Geschichte von ihm zu erzählen: Dass er bereit gewesen sei, Gott sein eigenes Kind zu opfern, als dieser ihm das befahl! – Für die Frauen und Männer im alten Israel ging es dabei um nichts weniger als die Existenz ihres eigenen Volkes, um ihr eigenes Leben! Denn – die Israeliten identifizierten sich mit diesem Isaak! Sie betrachteten sich ganz wörtlich – und nicht nur im übertragenen Sinn! – als Nachkommen Abrahams! Der Sinn dieser Geschichte, die man sich von Generation zu Generation weiter erzählt hat, war ursprünglich also dieser: Isaak, unser Urahne,… blieb am Leben, weil sein Vater, unser Stammvater Abraham, unerschütterlich an Gott glaubte, seinem Wort Vertrauen schenkte. Ein verzweifeltes Festhalten an Gott inmitten tiefster Verlassenheit und Finsternis! Und deshalb – so die Folgerung – wird es auch uns so ergehen: Selbst wenn Gott uns alles, aber auch alles wegzunehmen scheint – bleibt er doch unser Gott und wird uns erretten! Wir müssen nur an ihm festhalten und ihm vertrauen! (In diesem Sinn hat es Friedrich Dürrenmatt einmal treffend formuliert: „Gott ließ uns fallen – und so stürzen wir denn auf ihn zu.“) Abrahams Geschichte die Geschichte eines unbeirrbar Glaubenden! Gerade so ist und bleibt diese Erzählung für uns Menschen des 21. Jahrhunderts wertvoll und unverzichtbar für unseren Glauben und unser Leben. Mit dieser Geschichte werden wir niemals fertig, ebenso wenig wie wir mit Gott je fertig werden könnten! Weil sie abgründig ist und widersprüchlich – genauso wie sich manchmal auch das Leben zeigt. Weil sie auch unserer Erschütterung und Verzweiflung Raum lässt. Weil es bis zum heutigen Tag viel zu viele solcher Geschichten gibt: Von Opfern, von vergossenem Blut – und kein Engel kommt und schreitet ein; niemand ist da, der die Gewalt unterbricht, das Kind und ein Menschenleben rettet! Eine Geschichte, in der wir unausweichlich mit dem   Schweigen Gottes (Gott spricht nur in den einleitenden beiden Versen!) konfrontiert werden. Diese Geschichte wird auch heute noch gelesen und erzählt, und ist deshalb noch nicht in Vergessenheit geraten – weil Menschen sich auch heute noch in ihr wiederfinden können! Weil sie abgründig ist und widersprüchlich – genauso wie sich manchmal auch das Leben zeigt. Weil sie auch unserer Erschütterung und Verzweiflung Raum lässt. Weil es bis zum heutigen Tag viel zu viele solcher Geschichten gibt: Von Opfern, von vergossenem Blut. Menschen, die – wie Abraham – an ihre persönliche Grenze geführt werden – wo einem der Sinn des Lebens zwischen den Fingern zerrinnt; wo Gottesverzweiflung und Gottvertrauen plötzlich dasselbe Aussehen haben! Gerade für all diese Menschen wird diese Geschichte erzählt! Weil ihnen – wie Abraham – das Schwerste abverlangt wird, was einem Menschen abverlangt werden kann: Hoffen – gegen alle Vernunft! Vertrauen – gegen alle Angst! Lebensmut – gegen alle Verzweiflung! Aber mit Gott und Jesus als Begleiter und Helfer wird es uns leichter gelingen. Mit oder ohne Gott geht es immer um Schmerzen, Verlust, Loslösung, Opfer, Sterben und Tod. Aber es gibt da auch die erlösenden Erfahrungen. Und nun begleitet uns Jesus in ganz besonderer Weise mit seinem Weg, seinen Taten und Worten und am Ende mit seinem Mut zur Hoffnung. Auch er weinte vor seinem Sterben. Aber am Ende sagte er: Es ist vollbracht. Amen.

Fürbitten

Für alle Menschen, die leiden, für alle, die sich von dir verlassen fühlen; für alle, die ihr Schicksal nicht ertragen, die weder Sinn noch Ausweg sehen; für alle, die verbittert und abgestumpft sind: Mache sie gütig, öffne ihnen wieder die Augen für das Gute, das den Menschen möglich ist, für deine Schöpfung und deine Zukunft. Für alle, denen misstraut wird, die unter dem Druck von Verdächtigungen und Verleumdungen leben; für jene, deren Selbstvertrauen untergraben wird durch das harte Urteil der anderen; für alle, denen kein Verständnis begegnet, kein Wort, das sie heilt, kein Mensch, der sie annimmt; für alle Gehemmten und Ängstlichen, deren Gewissen verkrampft und unfrei ist; für alle, die in Spannung und Unruhe leben, die unsicher sind und keinen Rat mehr wissen. Lass sie in ihrer Wehrlosigkeit Jesus, deinem Sohn, trauen, der in den Händen der Menschen wehrlos gewesen ist. Für alle, die eingebunden sind in ein unmenschliches System und ihm nicht entkommen können; für alle, die mutlos werden im Anblick all des Bösen in dieser Welt; aber auch für alle Zuversichtlichen, die Kraft ausstrahlen und Freundschaft geben. Lass sie standhaft bleiben in aller Prüfung, damit sie unseren Gemeinden Hilfe und Stärkung sein können. Vater unser im Himmel..

SEGEN

Der Herr segne und behüte dich. Der Herr lass leuchten sein Angesicht über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. Amen

Bleiben Sie behütet und gesund!

Es grüßt Sie herzlichst, Ihre Lektorin Gerlinde Abel