Andacht 2. So. n. Epiphanias, 14.01.2024, Sabine Klatt (Diakonin/Prädikantin)

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Ich freue mich, dass wir heute auf diese Weise miteinander verbunden sind! Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Liebe Leser*innen.

Müde gewordener Glaube. Auf einer Skala von 1-10 die eigene Müdigkeit an diesem Morgen einschätzen (1: noch im Tiefschlaf 5: der Kaffee wirkt 10: Ich kann Bäume ausreißen) Stärkungsübung für die Hände und Knie. Sicher hat jeder hier eine Strategie entwickelt, wie er Müdigkeit bekämpfen kann: Kaffee, Morgengymnastik, Zeit um langsam wach zu werden, Radio an, Routinen, Fenster auf, Wasser ins Gesicht,… Mit Alltagsmüdigkeit muss man irgendwie umgehen lernen. Wie sieht das denn im Alltagsglauben aus? Gibt es da auch so etwas wie Müdigkeit und Kraftlosigkeit? Was mich angeht: auf jeden Fall! Ich kenne die Tage sehr gut, an denen mein Vertrauen auf Jesus im Tiefschlaf vor sich hin schnarcht. Da hilft die beste Strategie, das schönste Morgenritual nicht. Mein Alltagsleben mit Jesus ist manchmal ziemlich verschlafen.

Hier ist eine Stelle in der Bibel, in der wir diese Gedanken auch wiederfinden. Es sind Sätze aus dem Brief an die Hebräer, eine christliche Gemeinde im 1. Jd, die müde und träge geworden ist. Es ist nicht der ganze Predigttext, der für heute vorgesehen ist, ich wähle aus dem Abschnitt (Hebr 12) die Verse 12-15:

12 Darum stärkt die müden Hände und die wankenden Knie 13 und tut sichere Schritte mit euren Füßen, dass nicht jemand strauchle wie ein Lahmer, sondern vielmehr gesund werde. 14 Jagt dem Frieden nach mit jedermann und der Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird, 15 und seht darauf, dass nicht jemand Gottes Gnade versäume; dass nicht etwa eine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichte und viele durch sie verunreinigt werden.

Steh auf und laufe los. Die Gemeinde der Hebräer ist ein müder Haufen. Die Leute sind im Glauben schlaff geworden, es droht der Stillstand. Sie streiten sich über Belanglosigkeiten, manche kommen nicht mehr zu den Gottesdiensten und die anfängliche Leidenschaft für Jesus hat nachgelassen. Manches kommt uns vielleicht auch bekannt vor. Schlaffe Hände, zitternde Knie aus Angst vor dem Morgen, ein eingeschlafener oder altersschwacher Glaube. Wie kann man dem begegnen? Wie weicht die Angst, wie kommt neue Kraft in übermüdetes Glaubensleben? Schwache Knie bekommen dann Kraft, wenn man vorsichtig Schritte mit ihnen wagt, wie ihr in der Gymnastikübung vorher. Das ist wie in der Reha nach einem Beinbruch: Das schwach gewordene Bein wird wieder gestärkt. Nach monatelangem Stillstand wird es langsam wieder bewegt, Tag für Tag mehr belastet. Das ist mühsame, lange dauernde Arbeit. Bei einem müde gewordenen Glauben ist das ähnlich. Der Hebräerbrief schickt unseren Glauben auf das Laufband. „Stärkt die müden Hände und wankenden Knie und macht sichere Schritte mit euren Füßen!“ Da ist Anstrengung angesagt, ein FitnessTraining für den Glauben. Übrigens: die Aufforderung geht nicht an einen einzelnen, sondern sie steht im Plural. Wir sind beim Training aufeinander angewiesen. Wessen Hände gerade stärker sind, der soll dem unter die Arme greifen, der auf wackeligen Beinen unterwegs ist. Und umgekehrt: wer müde Hände hat, scheue sich nicht, sich nach Unterstützung umzusehen. – Steh auf und laufe los! Das ist ein ärztlicher Rat für jemanden, der seine Beinmuskulatur neu trainieren muss. Wie das übertragen auf unseren Glauben aussehen kann, davon handeln die nächsten beiden Verse, dort geht es nämlich auch ums Laufen, um das Nachjagen. Laufe dem Frieden nach. „Jagt dem Frieden nach mit jedermann.“ Offenbar gab es in der Gemeinde, die diesen Brief bekommt, einige Streitereien, sonst müssten sie nicht zum Frieden ermahnt werden. Frieden kommt nicht automatisch. Was automatisch kommt, ist Neid, Misstrauen, Lästern, Distanz. Das schleicht sich oft wie von selbst in unser Miteinander. Achte einmal beim nächsten Film oder bei der nächsten Serie, die du siehst, darauf. Wie schnell kommt es zu Missverständnissen, die eine mag den anderen nicht mehr und schon liegt der ganze Freundeskreis im Streit. Zickenkriege, Machogehabe, Klischees werden ausgepackt und sind manchmal gar nicht weit von unserem Alltag entfernt, nur dass sich bei uns ein Streit meist nicht in 40min Sendezeit löst. Konflikte sind an sich nichts Schlechtes. Wenn sie gut ausgetragen werden, können sie uns unter Umständen weiter bringen als die schönsten Umarmungen und Momente glückseliger Harmonie. Doch solch konstruktiver Streit erfordert eine grundsätzlich friedfertige Haltung. „Soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden“, rät uns Römer 12,18. Darin schwingt schon mit: Immer ist es nicht möglich. Es gibt Situationen, die lassen sich nicht klären, zumindest nicht absehbar. Es gibt Menschen, mit denen kommen wir einfach nicht klar, da knallt es immer wieder. Wer im Unfrieden mit jemand anderem lebt, muss sich das nicht unbedingt selbst vorwerfen. Dennoch sind wir zum Training aufgefordert, zur Bewegung auf den Frieden zu. Am Anfang des Kapitels ist ein Schlüssel zu einem Leben in Frieden genannt: Hebr. 12,2 „Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.“ Auf Jesus sehen und dem Frieden nachjagen: beides hängt eng miteinander zusammen. Frieden zu leben gelingt, wenn wir den Blick auf Jesus richten. Der Blick auf ihn erinnert uns daran: Er ist gekommen, um unsere zerstrittenen Beziehungen zu befrieden. Er vergibt uns, wo wir im Unfrieden mit ihm leben. Wir leben aus dieser Vergebung, wir brauchen sie! Wir leben mit Gott selbst im Frieden, Jesus steht dafür ein. Darum sollte uns nichts daran hindern, auch miteinander im Frieden zu leben, auf jemanden zuzugehen und zu sagen: „Bitte vergib mir.“ Dazu ist in jedem Gottesdienst der Teil der Beichte gedacht. Ein altes, nicht immer positiv besetztes Wort. Konkret heißt es: Nimm dir Zeit, um auf Jesus zu sehen und auf dich zu sehen. Wo dir dann auffällt, dass du dem Frieden nicht nachgejagt bist, da steh wieder auf und fange neu damit an. Indem du Gott um Vergebung bittest und genauso auch die Menschen, mit denen du im Unfrieden lebst. Schätzt das nicht gering, geht aufeinander zu und bittet um Vergebung, werft die Chance nicht weg, die Jesus uns anbietet: Im Frieden zu leben. Jagt dem nach, das heißt: setzt alles daran. Laufe der Heiligung nach V14 „… und der Heiligung ohne die niemand den Herrn sehen wird.“ Heiligung, das bedeutet ein gottgefälliges Leben führen. So sein und leben, dass es Gott angenehm ist. Kann man Heiligung trainieren, ihr nachjagen? Manche verstehen unter Heiligung eine Eigenschaft, die wir versuchen müssen zu erwerben. Jesus ist für dich gestorben, nun lebe gefälligst auch so, wie es Gott gefällt! So wie ein kleines Kind, das sich beim Spaghettiessen komplett eingesaut hat und von der Mama frisch umgezogen wird. Jetzt muss es sich aber bitte auch anstrengen, dass die frische Kleidung schön sauber bleibt und keine Flecken bekommt. Heiligung bedeutet in diesem Verständnis: „Krempel die Ärmel hoch und strenge dich ordentlich an, ein heiliges, gottgefälliges Leben zu führen! Gott hat dir vergeben und ein neues Leben geschenkt. Nun achte gut darauf, dass du dich in diesem Leben bewährst!“ Doch Heiligung ist nicht ein bestimmtes Verhalten, Heiligung ist ein Zustand. Sie ist keine Eigenschaft, die wir uns aneignen können. Heiligung ist eine „Außenschaft“, die Jesus uns schenkt. Was mangelhaft und voller Flecken ist in unserem Leben, das hat Jesus auf sich genommen. Was nicht vor dem heiligen Gott bestehen kann, das hat Jesus durch seinen Tod und seine Auferstehung weggenommen, gut gemacht. Er hat die Rechnung für uns beglichen und hat uns damit den Zustand der Heiligung erkauft. Durch Jesus sind wir gottgefällig, Gott angenehm, heilig. Er steht dafür ein, dass wir vor Gott ohne Spaghettiflecken auf dem T-Shirt stehen können. Das können wir selbst nicht bewirken. Wir können es nur als Geschenk annehmen. Und auch wenn uns immer wieder neue Flecken passieren: Letztlich kommt es im Leben eines Christen nicht darauf an, wie viele Flecken auf unserem T-Shirt sind. Es kommt darauf an, dass Jesus uns ein frisch gewaschenes T-Shirt überzieht. Das ist die Gnade, von der in V.15 die Rede ist. Heißt das nun, dass es völlig egal ist, wie wir leben? Eigentlich können wir uns mit dieser Botschaft doch alles erlauben, Jesus wird am Ende sowieso für uns einstehen. Im Bild mit dem Spaghetti-Kind gesprochen: Auch wenn beim nächsten Mal wieder die Hälfte des Tellers auf dem Kind statt in dem Kind landet – macht nix. Die Mama hat den ganzen Schrank mit frischer Wäsche voll und zieht das Kind einfach jedes Mal wieder neu um. Kein Problem, es kann essen wie es will und wird danach doch immer wieder sauber angezogen. Klingt ziemlich einfach, doch bei dieser Sicht wird eine Sache übersehen. Ich wage es einmal, das im Bild mit dem Spaghetti essenden Kind zu sagen und hoffe, dass es so deutlich wird: Jedes Mal, wenn das Kind sich beim Essen schmutzig macht, ist die Mutter zur Stelle, um es danach neu einzukleiden. Die neue Garnitur fällt nicht vom Himmel. Die hat die Mutter natürlich gekauft, sie hat sie nach dem letzten Essen gewaschen, aufgehängt, gebügelt, vielleicht ein Loch daran geflickt, in den Schrank gelegt. Das frische Kleidungsstück erscheint nicht „Hokuspokus“ einfach so, es ist mit Mühe und Arbeit verbunden, dass das Kind immer wieder neu angezogen werden kann. Gott hat nicht einfach nur ein bisschen Wäsche gemacht, um uns ein neues, heiliges Leben zu ermöglichen. Es hat ihn das Leben seines Sohnes Jesus Christus gekostet. Es war ein hoher Preis, den er gezahlt hat. Und obwohl er uns immer und immer wieder neu Vergebung anbietet, schüttelt er das nicht eben mal aus dem Ärmel. Noch ein letztes Mal spreche ich im Beispiel: Die Mutter liebt ihr Kind, ganz ohne Einschränkung. Das kann sie von den Spaghettiflecken allerdings nicht behaupten. Gott machen die Spaghettiflecken unseres Lebens zu schaffen. Jeder einzelne. Doch er kann sehr gut unterscheiden zwischen dem fleckigen T-Shirt und dem wertvollen Menschen, der drinsteckt. Und dass wir trotz immer neuer Flecken von ihm immer wieder neu angezogen werden, das ist Gnade. Diese Gnade gilt es nicht zu versäumen. Weil es Gott so viel kostet, gnädig zu sein, sollten wir das nicht gering achten. Und weil Gott gnädig ist, sollten wir nicht so tun als könnten wir von selbst heilig werden. Der Heiligung nachjagen, das heißt: Höre auf mit dem religiösen Krampf, so zu tun als könntest du dich selbst heiliger machen. Nimm an, dass Jesus dich heilig macht und staune darüber. Danke ihm täglich dafür, führ es dir immer wieder vor Augen. Und dann lebe diesem Geschenk entsprechend. Das kleine Kind lernt von Tag zu Tag, weniger Flecken auf seine Kleidung zu machen, es bemüht sich darum. Wir können uns nicht bemühen, heilig zu werden. Das macht Gott für uns. Doch weil wir durch ihn heilig sind, lasst uns alles daran setzen, auch so zu leben! Zurück zum Anfang: Wenn ein geheiltes Bein, das gebrochen war wieder neue Kraft bekommen soll, dann muss es trainiert werden. Wenn dein Glaube müde geworden ist, dann fange an, ihn neu zu trainieren. Setze alles daran, im Frieden zu leben und bitte um Vergebung, wo das nicht der Fall ist. Nimm es an, dass du heilig bist und lebe diesem Geschenk entsprechend. Amen

Fürbittengebet / Vaterunser

Himmlischer Vater, du schenkst uns deinen Sohn, damit wir durch ihn Gemeinschaft mit dir haben und frei werden von allem, was uns daran hindert, einander in Liebe zu begegnen. Wir danken dir für deine große Liebe und bitten dich: stärke unseren Glauben, damit wir vielen Menschen ein Vorbild werden und dir zur Ehre leben. – Wir wollen den Weg des Glaubens gehen und erkennen dabei: du schenkst uns eine Gemeinschaft, in der wir nicht allein sind. Das macht uns aufmerksam für die, die niemanden haben, mit dem sie reden können, weil sie alt oder krank sind, weil sich niemand um sie sorgt und kümmert. Wir bitten dich: lass diese Menschen erfahren, dass du sie mit deiner Liebe nicht allein lässt. Führe uns zu ihnen. – Vater unser…

Wochenspruch

Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. (Joh 1,16)

Segen

Der Herr segne und behüte dich; er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; er erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden!

 

Bleibt behütet und gesund!

Es grüßt euch herzlichst, Eure Sabine Klatt, Diakonin/Prädikantin