Andacht Estomihi, 11.02.2024, Sabine Klatt, Diakonin/Prädikantin

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Ich freue mich, dass wir auch auf dieser Weise miteinander verbunden sind – im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen

Wir sind nun beim Sonntag Estomihi angekommen, der letzte Sonntag vor der Passionszeit und somit 50 Tage vor Ostern. Thematisch geht es heute um den falschen und den wahren Gottesdienst.

Gebet

Herr Jesus Christus, in deinem Leben, Leiden und Sterben hast du gezeigt, dass die Liebe zu Gott und zum Nächsten untrennbar zusammengehören. Wir bitten dich: Entfache unsere Liebe zu Gott neu, die uns zugleich den Blick für unseren Nächsten öffnet. Leite uns in Glaube, Hoffnung und Liebe:

heute und allezeit bis in Ewigkeit. Amen

Lied: Ein wahrer Glaube Gotts Zorn stillt (EG 413, 1-4+8)

Liebe Leser*innen.

Heute hören wir auf Amos. In der Bibel ist er einer der „kleinen Propheten“. Er lebte vor 2750 Jahren in Israel. Amos war ein Bauer, der Maulbeerbäume kultivierte und Vieh züchtete, ein Mann aus der Mitte des Volkes. Aber nun bekam er einen ganz anderen Auftrag. Er soll im Staate Israel Wort Gottes im ureigensten Sinn verkündigen. – Wenn wir in einem Flugzeug sitzen würden, dann käme jetzt der Punkt, wo ich sagen würde: „Ich bitte Sie, Ihre Sitzplätze einzunehmen, die Tische hochzuklappen und sich anzuschnallen!“ Es ist nämlich besser, sich auf etwas gefasst zu machen, wenn ich die Passage aus dem Prophetenbuch Amos vorlese, die heute in den Gottesdiensten auszulegen ist. Sitzen Sie gut? Dann geht es los: In der Tat – gewaltig legt Amos los:

Ich hasse und verachte eure Feste und mag eure Versammlungen nicht riechen – es sei denn, ihr bringt mir rechte Brandopfer dar -, und an euren Speisopfern habe ich kein Gefallen, und euer fettes Schlachtopfer sehe ich nicht an. Tu weg von mir das Geplärr deiner Lieder; denn ich mag dein Harfenspiel nicht hören! Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach.

„Holla die Waldfee“ entfährt es mir. Ein Blattschuss des ersten Schrift-Propheten im Alten Testament. Ich stelle mir seine Zuhörer vor. Ganz klein sind sie wohl geworden, haben sich weggeduckt. Ob sie aus vornehmer Höflichkeit überhaupt geblieben sind? Unwillkürlich frage ich mich: Wen will Amos mit seiner herben Scheltrede treffen? Und was bedeutet das für uns heute, für das kleine Häuflein der treuen Gottesdienstbesucher? Können wir mit der Kritik von einst heute umgehen? Das wollte ich doch genauer wissen. Also befragte ich einfach drei reale Gottesdienstbesucher in meinem Umfeld.

Konfirmandin: Mir gefällt das, was Amos sagt. Das ist bei uns doch alles ziemlich steif. Cool wäre, wenn die Pfarrerin mal einen Song von Pink oder Apache 207 einspielen würde. Dann kämen wir Konfis viel lieber. Dann wäre wirklich mal was los. Vielleicht würden dann sogar so ältere Herrschaften auch ein bisschen in Schwung kommen.

Älteres treues Gemeindeglied: Wer weiß schon, wie damals die Gemeinde ausgesehen und wie sie gelebt hat. ich will das schon ernst nehmen. Aber da ich kurz hintereinander meinen Mann und meine Schwester verloren habe, ist mir der Gottesdienst einfach ganz wichtig. Auch wenn ich nicht immer der Predigt folge, so erlebe ich doch die Gebete und die Lieder als Hilfen zum Leben. ich gehe dann immer bestärkt zuerst auf den Friedhof und dann nach Hause. Dann ist Sonntag für mich.

Syrischer Christ: Mich hat der Amos erschreckt. Ich komme ja aus einem Land, indem Christsein alles andere als akzeptiert war. Man musste bei uns mit allem rechnen. Wenn wir in unserer kleinen Gemeinde zusammen waren, durften wir gar nicht so richtig von Herzen singen. Überhaupt waren unsere Zusammenkünfte durchaus gefährlich. Umso schöner war es, wenn der Pfarrer am Ende uns gesegnet hat. Gottesdienst war für uns ein Stück Freiheit.

Drei ganz unterschiedliche Sichtweisen auf Gottesdienst heute. Ein bisschen Kritik hört man ja schon auch heraus, was auch völlig in Ordnung ist. Aber die harsche Kritik von Amos hat eher wenig Resonanz. Also weg damit, ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten? Nee, keineswegs! Fragen wir mal nach der eigentlichen Kritik des Amos. Was ist sein Antrieb für solch harte Worte? Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. (Vers 24) Recht und Gerechtigkeit – sie sind wie ein Lebenselixier. Das fordert der Prophet als das, was seine Kritik ausmacht. Es geht damals vielen Menschen recht gut, aber eben bei weitem nicht allen. Sonntagsfeier und Werktagsleben klaffen für Amos viel zu weit auseinander. Und noch schlimmer: „Sie treten den Kopf der Armen in den Staub und drängen die Elenden vom Weg.“ (Amos 2,7) – „Ihr unterdrückt die Armen und nehmt von ihnen hohe Abgaben“ (Amos 5,11) – schreibt er an anderer Stelle. – In seinen Worten spiegelt sich die Enttäuschung Gottes. Amos hat nichts gegen engagierte Gottesdienste, die jeden Menschen als Ebenbild Gottes betrachten und ihm Würde geben. Auch schöne musikalische Begleitung findet sicher auch bei ihm Anklang. – Aber wenn feiertags gesungen und werktags getreten wird, dann stimmt etwas nicht. Dann ist das eben kein menschenfreundlicher und auch kein gottgewollter Gottesdienst, sondern schlicht nur schlechte Show – und etwas krasser ausgedrückt: „Scheinheiligkeit“. Was bedeutet das nun für das, was wir hier am Sonntag tun? Genau hier in dieser Kirche in unserem Dorf in unserer Welt? – Ich sage ein 3faches JA zum Gottesdienst:

  • Wir dürfen den sonntäglichen Gottesdienst feiern als Kraftquelle für unser Leben, so wie die ältere Dame mir sagte. In ihm erneuern wir immer ganz persönlich unser Verhältnis zu Gott im Hören und Singen, im Beten und Segen-Empfangen.
  • Zweites JA zum Gottesdienst, in dem wir Recht und Gerechtigkeit, aber auch Unrecht und Ungerechtigkeit in der Welt zur Sprache bringen. Daraus wird dann ein gottgefälliger Menschendienst…: Der Gottesdienst ist somit Blick nach innen und Öffnung nach außen.
  • Ein drittes JA zum Gottesdienst, der nicht an der Kirchentür endet! Denn zum sonntäglichen Gottesdienst gehört unabdingbar der gottgefällige Werktagsdienst. Indem aus dem Hören ein aktives Handeln wird, wirkt der Gottesdienst hinein in unsere Welt.

Entscheidend ist der Maßstab, den Amos hier anlegt: Er redet von Recht und Gerechtigkeit, die fließen soll. Ich würde heute und als Christin gerne erweitern mit Liebe und Zuversicht. Nach Gottes Maßstab agieren am Arbeitsplatz: Arbeit ist Teil meines Lebens. Sie ist nicht allein Broterwerb, sie ist auch ein Stück weit Selbstverwirklichung im Rahmen vorgegebener Strukturen. Wichtig ist, dass man seine Arbeit, zumindest im Grundsatz, gerne macht. Dass man Rücksicht nimmt auf Kolleg*innen und nicht die Ellenbogen gegen sie ausfährt, sondern solidarisch ist. Nach Gottes Maßstab agieren auf dem Sportplatz:Fair darf hier nicht nur ein Wort sein, sondern muss gelebte Wirklichkeit sein. Sportler*innen wollen siegen, aber bitte nicht um jeden Preis. Und bitte im Gegner den Partner sehen, dann darf man auch gegenüber kämpfen. Nach Gottes Maßstab agieren in der Politik: Politisches Arbeiten erfordert gutes Augenmaß und bei allem das Mögliche und Notwendige im Blick behalten. Und bitteschön: Gottes Liebe gilt allen Menschen. Das ist sozusagen ein Hilfsgedanke für alles Handeln weltweit nach Recht und Gerechtigkeit. – Amos heute? Was würde er denken oder sagen? Sein Angriff auf die Formen unserer Gottesdienste treffen dabei eher weniger. Zu demütig laufen sie ab. Zu wenig gesellschaftliche Bewegung. Und trotzdem trifft seine grundsätzliche Kritik. Auch bei uns fällt die Gesellschaft immer mehr auseinander. Reiche werden – statistisch messbar – immer reicher und Arme immer Ärmer. Und das alles trotz Mindestlohn und Grundsicherung. Wir wandern tatsächlich auf einem schmalen Grat: höchst explosiv. Und vieles wird vereinnahmt von jenen, die glauben schnelle und einfache Lösungen parat zu haben. Ich bin sicher, Amos würde kraftvoll die Stimme erheben für eine Gesellschaft, in der alle Recht bekommen und alle gerecht nach je eigenen Bedürfnissen behandelt werden. Wo Amos allerdings auftritt? Ich befürchte, dass ihn da viele versuchen würden mundtot zu machen. Leider. Amen

Fürbittengebet / Vaterunser

Herr, wir bitten dich: Hilf uns, dich von Herzen zu suchen, wie wir gesungen haben. Wir danken dir, dass du uns gesucht und gefunden hast. Du schenkst uns im Gottesdienst Raum, deine Einladung zu einem Leben nach deinen Vorstellungen neu zu hören. Du stellst uns in unserem Feiern Menschen an die Seite, mit denen wir uns gemeinsam dem Leben stellen können, zu dem du uns herausforderst. Wir danken dir. Sende uns jetzt so in unseren Alltag, dass auch dort unser Gottesdienstfeiern Ausdruck findet.   Stelle uns an die Seite derer, die uns nötig haben. Öffne unsere Augen für die Nöte anderer. Hilf uns, Menschen so zu sehen, wie du sie siehst. Wir bitten dich, dass die Impulse dieses Gottesdienstes Früchte tragen – in unserem Leben, in unserer Gemeinde. Wir bitten dich für unser Land und die Verantwortlichen hier und anderswo, dass dem Unrecht gewehrt werde und Recht wie Wasser fließe. Schaffe Frieden in der Welt und fang bei uns an: auf dass unser Leben ein Wohlklang sei und sich unser Glaube wie eine schöne Melodie entfalten kann. – Vater unser im Himmel, …

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden. Amen

Bleiben Sie behütet und gesund!

Es grüßt herzlichst, Ihre / Eure

Sabine Klatt, Diakonin/Prädikantin

 

 

 

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